Törnbericht: Über den Rhein nach Workum

Eberhard hatte mich eingeladen, seine Segelyacht vom Duisburger Innenhafen nach Workum im Ijsselmeer zu überführen. Die Yacht ist eine 40 Fuß Gib Sea mit dem Namen „Spirit of Wadoc“ und mit ca. 50 PS Motor also schon ein richtiges Schiff. Wir fuhren ohne Mast, der ist über den Winter in Workum geblieben.

Am Dienstag, 15. April 2014 fuhren wir um 10:30 Uhr los. Eberhard übergab mir sofort nach dem wir aus der Box waren das Steuerrad und schoss die Leinen auf ( der alte Fuchs wollte natürlich sehen, wie ich mich am Steuer mache ) bevor wir auf den Rhein fuhren, schließlich sind wir beide bisher noch nicht zusammen gefahren. Als erstes durch die Schwanentor- dann durch die Marientorbrücke auf den Rhein zu. So fühlt es sich also an wenn man immer ein Wenig gegen den Radeffekt steuern muss. „Leg den Bug etwas zu Berg und dann in die Fahrrinne“ so die erste Anweisung von Eberhard an mich. Gesagt, zu Berg geschaut, ob auch kein anderes Schiff kommt und getan wie angewiesen.

Zum ersten Mal auf dem Rhein sieht doch alles ganz anders aus als vom Ufer und es fühlt sich auch anders an. Der Wasserstand des Rheins ist zwar nicht kritisch aber mit 2 Meter Tiefgang sollte man immer ein Auge auf den Tiefenmesser haben und nicht zu nah ans Ufer fahren. Deutlich ist der Unterschied zwischen Fahrwasser und Fahrrinne ( Erinnerungen an den theoretischen Unterricht flammen auf ). Der Motor schnurrt mit 2400 Touren, mit etwa 6,5 Knoten fahren wir durchs Wasser, dazu kommt noch die Fließgeschwindigkeit des Rheins mit etwa 6 Km/Std. und ein strammer Wind fegt mir über die Spray Hood hinweg ins Gesicht. Wenn man die Sechs-Seen-Platte verlässt, trifft man doch tatsächlich auf Schifffahrts-Zeichen, verdammt, wo ist mein Buch. Inzwischen sind wir an Walsum vorbei, die ersten Begegnungen mit anderen zu Berg fahrenden Schiffen in respektvollem Abstand abgehakt, steuern wir auf Wesel zu. Die Rheinpromenade von Rees, das Kernwasserwunderland von Kalkar und die Promenade von Emmerich ziehen ans uns vorbei. Ich bin so begeistert, dass ich nicht merke, wie lange ich schon am Steuer bin und Eberhard sagt. „Du musst nicht alleine am Rad drehen lass mich auch mal“. Bei Lobbith passieren wir die Grenze zu Holland und Eberhard erzählt mir, dass sie hier früher immer Ein- und Ausklarieren mussten.

Gegen 13:15 erreichen wir Pannerdensch Kop, hier teilt sich der Rhein, heißt ab jetzt Waal und wir biegen in den Pannerdensch Kanal ab. Auf dem Kanal ist es etwas ruhiger, wir haben Zeit für einen Tee und ein paar Sandwiches. Zum ersten Mal steuern wir auf eine „nicht frei fahrende Fähre“ zu und müssen uns frühzeitig entscheiden auf welcher Seite wir die Fähre passieren. Um 15:00 Uhr erreichen wir Ijsselkop, biegen in die Geldersche Ijssel ein und ich habe immer noch das Gefühl, durch den Niederrhein zu fahren. Bei der Gelegenheit fällt uns auf, wie viele Kormorane wir bisher am Rhein und im Kanal schon gesehen haben, sie scheinen uns zu begleiten. Von der Stadt Zutphen sehen wir als nächstes die Uferpromenade und wir überlegen, wie weit wir heute noch fahren können. Ein Blick auf die Uhr und die Karte sagt uns, in Deventer werden wir übernachten. Der erste Versuch ist, durch den Basiskanaal in das Havenkwartier. Dazwischen ist eine Schleuse und die zeigt: zwei rote Lichter übereinander???? Also gut Schleuse außer Betrieb. Kurz hinter Deventer gibt es den Zandweerdhaven, also fahren wir dort hin. Um 20:15 erreichen wir den Hafen, dieser wird gerade ausgebaggert aber die neuen Stege sind schon auf dem Wasser und wir legen an. Leider noch keinerlei Infrastruktur und schon gar kein Restaurant oder eine Pommes-Bude ( ich denke an Frikadelle Spezial mit Pommes und Cola ). Eberhard schmeißt den Gasofen an und es gibt heisse Bockwürstchen, dazu eine Flasche Rotwein, das hilft mir bestimmt beim Einschlafen in einer fremden Koje.

Kalte Nacht

Nachts werde ich gegen 1:00 Uhr wach weil es mir etwas kalt geworden ist, schiel auf das Thermometer: scheisse Minusgrade, also ziehe ich mir einen Fleespulli über und schlafe weiter. Eberhard gehört offensichtlich zu den Frühaufstehern, wuselt schon ab 6:00 Uhr herum und Tankt nach. Ich krabbel aus der Koje, es ist wärmer geworden 4 Grad plus, Raureif auf dem ganzen Deck, um uns ein dicker Nebel, wir können das Ufer nicht sehen. Der Kaffee dampft das wird helfen und es gibt Frühstück. Der Bagger neben uns, wir sehen ihn kaum, fängt an zu arbeiten, es ist 8:30 die Sonne kämpft sich so langsam durch den Nebel und wir starten, fahren wieder auf die Ijssel in die erste Nebelbank. Es sollte an diesem Morgen nicht die Letzte sein. Sicht, wenn überhaupt 30 Meter, Schleichfahrt von Krippe zu Krippe. Die Wasservögel halten uns für verrückt und wir haben glücklicherweise keinen Gegenverkehr. Gegen 10:00 Uhr klart es endlich auf und wir können wieder normal weiter fahren. Wieder habe ich das Gefühl, den Niederrhein nicht verlassen zu haben und immer noch Kormorane. An der Stadt Zwolle, von der wir nicht viel sehen, vorbei erreichen wir um 13:30 Kampen. Kampen kenne ich nicht, sieht auf den ersten Blick vom Wasser her nett aus, da sollte ich mal hinfahren. Eberhard erzählt mir von einem Chinesischen Restaurant in das wir gegangen wären wenn wir gestern Kampen erreicht hätten.

Wir passieren die Staadsbrug von Kampen mit den vier goldenen Rädern und fahren weiter über die Ijssel in das Ketelmeer. Um 15:00 Uhr fahren wir unter der Ketelbrug hindurch in das Ijsselmeer. Das Isselmeer ist fast glatt strahlend blauer Himmel und so gut wie kein Wind. Ein Großsegler fährt unter Motor durch die aufgeklappte Ketelbrug ins Ijsselmeer. Ich wollte auf dieser Tour etwas lernen, also lassen wir den ganzen technischen Schnick Schnack und fahren klassisch nach Karte und Kompass in Richtung Workum. An der ersten Tonne hinter der Brücke entnehmen wir der Karte den Kurs: Ab Tonne KH 300 Grad zur Tonne EZ1. An der Steuerbordseite sehen wir Urk und an der vierten Tonne ändern wir den Kurs auf 312 Grad. So eine Fahrt nach Kompass erfordert schon eine ziemliche Konzentration und ich entwickle den Ehrgeiz, die nächste Tonne möglichst genau zu erreichen. Enkhuizen sehen wir an der Backbordseite, die Sonne scheint auf Nacken und Ohren, das werde ich später noch spüren. Die nächste Kursänderung ist an Tonne LCA auf 0 Grad in Richtung Stavoren. Von Stavoren Ansteuerung Hindelopen mit Kurs auf die Einfahrt nach Workum. Die Betonnung der Einfahrt nach Workum ist eindeutig, wir nehmen die Fahrt etwas zurück und Eberhard sagt: „ich bin mal gespannt, die Einfahrt zum Hafen sollte ausgebaggert werden, also wunder dich nicht wenn wir zwischendurch mal kurz nicken“. Mein Blick auf den Tiefenmesser zeigt zwischendurch mit 2,10 Meter die sprichwörtliche „Handbreit Wasser unterm Kiel“ aber nicken tun wir nicht, sie scheinen also gebaggert zu haben. Um 17:45 liegen wir fest am Liegeplatz Faber. Angekommen genieße ich die Ruhe ohne Motor und sehe den Schafen auf dem gegenüber liegen Deich zu. Auf dieser Tour habe eine Menge gesehen und gelernt, ich hoffe es bleibt einiges davon haften und ich kann es im theoretischen Unterricht verwenden. Ein Haubentaucher versucht vergeblich einen schwimmenden Tampen, den er vielleicht für einen Aal hält, unter Wasser zu ziehen. Es gelingt ihm nicht weil das andere Ende an einem Pfahl hängt. So langsam geht die Sonne unter und ich bewundere den Sternenhimmel. Eberhard hat inzwischen einen Anruf bekommen, unser Abholdienst kann am nächsten Tag nicht kommen und wir werden noch an diesem Abend abgeholt. Schade, ich hatte mich schon auf einen ruhigen sonnigen Donnerstagvormittag in Workum gefreut, na denn beim nächsten Mal.

Die Rückfahrt nach Duisburg ging dann ziemlich fix, Nachts ist halt auf den Autobahnen nicht viel los. Auf der Rückfahrt habe ich mir vorgenommen einen Bericht über diese Tour zu schreiben. Gar nicht so einfach ( ich bin schließlich kein Schriftsteller ) aber ich hoffe, dass ich ein paar Eindrücke von der Fahrt vermitteln kann. Im Zweifelsfall helfen auch die Fotos.

Bernd Kasten